|
Gelebter Umwelt- und Naturschutz |
Mehrschwalbenansiedlung in Gefahr! Was war passiert. An einer
Ansiedlung von Mehlschwalben sind die natürlichen Nisthöhlen
abgefallen und müssen schnellstens mit künstlichen Nisthilfen wieder
aufgefüllt werden und das bevor die Mehlschwalben aus ihrem
Winterquartier zurückkommen. Viel Zeit bleibt nicht.
|
Ausgangslage: Etliche natürliche
Nisthöhlen sind heruntergefallen. Die Sachlage wird vor Ort
mit den Hauseigentümern besprochen: Inwieweit ist man bereit
den Schwalben zu helfen. |
Eine
stattliche Mehlschwalbenansiedlung mitten im Dorf |
Bild: Michael Schiller |
Nach einer telefonischen Kontaktaufnahme wurde ein Vororttermin
ausgemacht einfach um abzuklären was man tun kann, was möglich ist!
Schnell wurde eine Übereinkunft erzielt und gestattet künstliche
Nisthilfen anzubringen. Allerdings viel Zeit bleibt nicht, den die
künstlichen Nisthilfen müssen auch noch bestellt werden. Das
nächste Problem: Wie bringt man die Nisthilfen nach oben? Bei einer
Höhe von über 6 Metern? Anruf bei einem mir bekannten Inhaber eines
Maurerbetriebes: Wie kann man sicher in dieser Höhe arbeiten?
Der Anruf bei Richard hatte sich gelohnt. Er hatte die Idee: Ein
fahrbares Gerüst hilft uns hier weiter. Ein ihm bekanntes Maler- und
Verputzergeschäft D. Deppisch, hat ein solches. Ein Anruf genügte,
Herr Deppisch leiht es uns gerne aus, vor allem wenn es um den
Naturschutz geht. An einem Samstag wird es gebracht und schnell ist es
aufgebaut.
Die
Einzelteile werden geliefert und vor Ort aufgebaut |
|
Bild:
Michael Schiller |
Das fahrbare Gerüst wird vor
Ort aufgebaut |
Schnell war das fahrbare Gerüst aufgebaut und die Stellen der
abgefallenen Nester konnte ich in Augenschein nehmen. Wahrscheinlich
ist das Material, das die Schwalben in der Umgebung finden, für den
Bau ihrer Nester so schlecht, so dass diese mit der Zeit einfach
herunterfallen. Nach Rücksprache mit den Bewohnern wurden keine
Jungvögel am Boden gefunden, so dass wohl die Nester schon länger
abgefallen waren, oder nach dem Ausflug der Jungvögel.
|
Die begehbaren Einzelteile werden
angeliefert und montiert. |
Die
Einzelteile werden zusammengebaut |
Bild: Michael Schiller |
Mehlschwalben fühlen sich sowohl in städtischer als auch in
ländlicher Umgebung wohl. Sie gehören zu unseren bekanntesten
Vogelarten und viele sehen bei ihrer Ankunft im Brutgebiet, den
Frühling kommen.
Infolge
unserer bereinigten Landschaft finden unsere Mehlschwalben,
das gilt auch für die Rauchschwalbe, kein geeignetes
Baumaterial zum Bau ihrer Nester mehr. Wo finden sie inmitten
unserer Dörfer noch die Stellen mit lehmigem und schlammigem
Untergrund. Die Klümpchen werden mit Speichel vermischt und
zum Nest transportiert. |
|
Bild:
Michael Schiller |
Die begehbaren Unterlagen
werden montiert |
Nachdem das Gerüst aufgebaut und von Richard R. geprüft und als sicher
befunden wurde, konnten die Abbruchstellen in Augenschein genommen
werden. Die Stellen wurden von den Resten des natürlichen Nestes
gesäubert.
|
Da die Hausfassaden oftmals viel
zu glatt sind und die Qualität des Lehms, - wenn die Schwalben
diesen überhaupt noch in unseren versiegelten und
asphaltierten Straßen noch finden - ist sehr schlecht
geworden. Folge: Die Nester brechen frühzeitig ab. Mitunter
sogar, wenn sich die Jungvögel noch in den Nestern befinden. |
Die
Abbruchstellen werden untersucht |
Bild: Michael Schiller |
Die Frage war, wie ist der Untergrund (Hausverputz und darunter)
beschaffen, wie können die Nester angebracht werden. Nach kurzer
Diskussion wurden die ersten Nester angebracht.
Vielerorts
ist auch die Erschütterung durch LKW-Verkehr durch den Ort
schuld, dass die Nester frühzeitig abbrechen. Deshalb
verwenden wir von den Umweltfreunden Nisthilfen aus Holzbeton,
der aus 75% Holzbestandteile besteht. |
|
Bild:
Michael Schiller |
Die Nisthilfen werden
angepasst |
Das Mehlschwalbennest ist rundlich und bis auf das Flugloch
geschlossen, anders als beim Rauchschwalbennest das eher eine
Halbschale ist. Das Nest wird zumeist unter den Dachvorsprung eines
Hauses "geklebt". Vermutlich nisteten die Schwalben früher unter
Felsvorsprüngen und haben eben diese Dachvorsprünge als
"Ersatzfelsvorsprung" für sich entdeckt.
|
In weiten Regionen Deutschlands
kommen Mehlschwalben
noch
vor, weil es dort sehr viele
künstliche Nisthilfen gibt.
Wir haben 50% unserer Mehlschwalbenbestände, in den
letzten 10 Jahren, verloren. |
Wir
bringen die künstlichen Nisthilfen dort an, an der die
Natürlichen weggebrochen sind |
Bild: Michael Schiller |
Das Weibchen legt vier bis fünf weiße Eier, aus denen nach
etwa 14 Tagen, bei schlechtem Wetter kann sich dies verzögern, die
Jungen schlüpfen. Beide Elternteile bebrüten die Eier und füttern
später die Jungvögel. Nach 23 - 30 Tagen, es kommt auf das Wetter an,
sind die Jungen dann flügge.
Mehlschwalben
sind nicht scheu und können im Sommer fast überall in
ländlichen Gegenden beobachtet werden, außer über größeren
zusammenhängenden Waldflächen. |
|
Bild:
Michael Schiller |
Die Kotbretter werden ca. 1 m
unterhalb der Nisthöhlen angebracht |
Das wichtigste Merkmal bei der Bestimmung der Mehlschwalbe
ist: Der meist schon von weitem erkennbare weiße Bürzel, der besonders
im niedrigen Flug auffällt. Dieses Kennzeichen weist sonst keine
andere europäische Schwalbe auf. Die Körperunterseite ist weiß, der
tief gegabelte Schwanz besitzt keine Schwanzspieße, wie bei der
Rauchschwalbe, die Unterflügel sind dunkel.
|
Die Mehlschwalbe ist in Bayern
flächendeckend verbreitet, abgesehen von den höheren Lagen in
den Alpen. Die Aufzeichnungen zeigen in den
letzten 20 Jahren eine starke Abnahme der Bestände. |
Die
Mehlschwalbe (Delichon urbica) |
Bild: Markus Gläßel |
Interessant
Manche
Forscher nehmen an, dass Mehlschwalben im Flug schlafen, das kommt
daher, dass die Vögel vor Sonnenaufgang in große Höhen aufsteigen.
Erst seit kurzem weiß man, dass Mehlschwalben ähnlich wie
Kolibris und Segler in Kältestarre fallen können. Ihre
Körpertemeperatur darf aber nicht unter 30 Grad Celsius absinken.
Mehlschwalben jagen weniger effizient als Rauchschwalben und
leiden daher stärker bei Schlechtwettereinbrüchen, die das
Nahrungsangebot beschränken. Es kann dann zu einer hohen
Jungvogelsterblichkeit kommen. Der Brutbestand in
Bayern wird mit 60.000 - 115.000 BP angenommen. Das
Gefieder von Männchen und Weibchen unterscheiden sich nicht. Die
Jungvögel sind schwarzbraun und haben noch nicht den glänzenden,
blauschwarzen Rücken ihrer Eltern.
Nestbau: Das fertige Nest besteht aus ca. 2500
Schnabelladungen Schlamm-Lehmgemisch.
Mehlschwalben
kann man am besten bei der Insektenjagd über Feuchtgebieten,
oder Fließgewässern beobachten, oder auch wenn sie ihr Nest
anfliegen. Diese Vögel trifft man nur selten am Boden an, es
sei denn, sie holen sich gerade Baumaterial für ihr neues
Nest. Beim Stehen in einer Pfütze kann man beobachten, dass
sie oft Flügel und Schwanz anheben, um nicht naß zu werden. |
|
Bild:
Michael Schiller |
Die noch intakten Nester -
wahre Baukunst |
Nachdem die künstlichen Nisthöhlen und Kotbretter angebracht
wurden, werden diese nochmals auf Festigkeit überprüft. Es wäre
schlimm, wenn diese neuen Nisthilfen abbrechen würden. Die Schalen aus
Holzbeton sind übrigens abnehmbar, so dass wir diese in ein paar
Jahren säubern werden.
|
Mehlschwalben ernähren sich
ausschließlich von Fluginsekten, wie Mücken, Fliegen und
Eintagsfliegen. Die Beute wird mit Speichel vermischt und zu
einem Futterballen geformt. |
Die
künstlichen Nisthilfen wurden inmitten der noch existierenden
natürlichen integriert |
Bild: Michael Schiller |
Die Rückkehr aus den Winterquartieren, südlich der Sahara bis
Südafrika, findet meist im April statt. Da sie sich im Winterquartier
meist in abgelegenen Gebirgsgegenden über 1500 Metern Höhe aufhält,
wird sie in Afrika viel seltener beobachtet. Daher ist es auch sehr
schwierig zu erkunden, was in den Überwinterungsgebieten einwirkt, was
die Populationsverluste angeht.
Wird sich die
Mühe und die Arbeit lohnen? Werden die Nester angenommen? Dies
und mehr ging mir immer wieder durch den Kopf! |
|
Bild:
Michael Schiller |
Der Abbau und Abtransport ist
rasch erledigt |
Die Zahl der Insekten ist um bis zu 80 Prozent zurückgegangen.
Dies hat natürlich nicht nur verheerende Folgen für die
Landwirtschaft, sondern auch für die Pflanzen- und Tierwelt. Gerade
auch die Vogelarten, die auf Insekten angewiesen sind, haben ein
Problem. Der Rückgang der Insekten und das Verschwinden großer
Vogelpopulationen, gerade auch bei den Schwalben steht in direktem
Zusammenhang.
|
Binnen zwölf Jahren, seien allein
in Deutschland 12,7 Millionen Vogel-Brutpaare verloren
gegangen. Dies ist inzwischen für jeden sichtbar. |
Die
Mehlschwalben haben neue Domizile |
Bild: Michael Schiller |
Anruf - die Mehlschwalben sind zurück!
Die Rückkehr der Mehlschwalben findet zumeist im April statt. Das
hängt aber immer mit der Witterung zusammen. Bei schönem Wetter können
die ersten Schwalben auch schon Ende März auftauchen. Leider sterben
dann viele Mehlschwalben bei einem erneuten Kälteeinbruch, weil es
dann kaum fliegende Insekten gibt.
Die Freude bei uns war groß,
dass die Mehlschwalben die neuen Nisthöhlen angenommen hatten. Auch
störten sie die Kotbretter unter den Nestern nicht.
Mehlschwalben
fühlen sich sowohl in städtischer als auch in ländlicher
Umgebung wohl.
Wichtiges
Kriterium für einen geeigneten Neststandort ist eine vor Regen
und Tropfwasser geschützte Überdachung, sowie freier,
ungehinderter Anflug. |
|
Bild:
Michael Schiller |
Die ersten Jungen schauen
neugierig in eine für sie wohl faszinierende Welt |
Das Verbreitungsgebiet der Mehlschwalbe erstreckt sich von
Nordwestafrika über nahezu ganz Europa, bis auf Island und den
äußersten Norden Skandinaviens. Auch in Teilen Kleinasiens und
Vorderasiens bis zum westlichen Himalaja kommt sie vor. Im Osten
reicht ihr Verbreitungsgebiet bis Ostsibirien, die Mongolei und
Nordchina.
|
Bei einer Untersuchung über die
Nahrungszusammensetzung wurde folgendes festgestellt: 80% der
Beutetiere sind Fliegen, Mücken und Blattläuse. Weitere 10%
waren Wasserinsekten. Desweiteren werden Käfer, Schmetterlinge
und Webspinnen erbeutet. |
Altvogel
kommt zur Fütterung - die Nahrungsballen befinden sich im
Kehlsack |
Bild: Michael Schiller |
Im Gebirge steigt die Mehlschwalbe höher als die
Rauchschwalbe. In Sikkim wurden Bruten sogar in 5000 Metern
nachgewiesen. Wichtig für die Ansiedlung, ist die Nähe zu Gewässern.
Bei ihrer Rückkehr aus den Winterquartieren kann man dann Tausende von
Schwalben über dem Main jagen sehen.
Für die
Nahrungssuche entfernen sich Mehlschwalben bis zu 2 Kilometer
vom Nest. Im Durchschnitt entfernen sie sich 450 Meter vom
Niststandort. |
|
Bild:
Michael Schiller |
Werden Nestlinge versorgt: Die
erjagten Insekten sind im Kehlsack gesammelt. |
Wir haben uns alle gefreut, nicht nur, dass die Mehlschwalben
zum angestammten Niststandort zurückkamen, sondern, die neuen
Nisthöhlen wurden sofort angenommen und Jungvögel groß gezogen.
Erleichterung auf den Mienen. Über dem Main gibt es viele Insekten für
unsere Schwalben. Hoffen wir, dass sie im Herbst gut in ihr
Winterquartier kommen und im darauffolgenden Jahr wieder an "ihren"
Standort zurückkommen.
Vielen Dank an meine Helfer und an
Michael für Deine beeindruckenden Bildnachweise. Danke auch an Markus
Gläßel.
Die künstlichen Mehlschwalbennester sowie die
Kotbretter wurden uns von der Gerbrunner Firma Simon
Wagner-Sicherheitstechnik finanziert. Vielen herzlichen Dank dafür.
Vielen Dank an das Verputzergeschäft, D.Deppisch, Goßmannsdorf für
das kostenlose Überlassen des fahrbaren Gerüstes.
Ohne die
Hilfe vieler, wäre so etwas nicht so schnell realisierbar.
|
|