|
Gelebter Naturschutz - Hand in Hand! |
Bewundert und verachtet, eine Vogelart polarisiert, auch bei uns
in Würzburg! Die Saatkrähe! |
Obwohl die Saatkrähe (Corvus frugilegus)
in fast ganz Europa vorkommt, ist sie bei uns als Brutvogel
mittlerweile eine Rarität. Von je her, hat mich diese Vogelart
fasziniert, nicht nur wegen ihrer Eleganz im Flug, am besten bei
stürmischen Winden, auch wegen ihres sozialen Verhaltens. Wo kann man
noch in unseren Innenstädten ein solches Verhalten erleben, wenn diese
Vögel eng an dicht in den Kronen von Bäumen, am liebsten sind es
Platanen, ihre lockeren und etwas unordentlich aussehenden Nester
bauen. Aber auch dies hat seinen Grund, denn in diesen Nestern kann
die Luft gut zirkulieren und die Jungen bei großer Hitze doch relativ
kühl hält. Bei kühler Witterung wird das Nest mit Gras und Moos
ausgelegt.
|
Die Saatkrähe, übrigens
Vogel des
Jahres 1986, ist ein typischer Brutvogel
der offenen Kulturlandschaft, der in Baumkronen, überwiegend
Platanen, nistet. Seit Jahrhunderten wird sie verfolgt, weil
sie angeblich auf Getreidefeldern Schäden anrichtet, oder
einfach nur stört. Tatsächlich ist sie eher ein Nützling, da
sie die Felder von Insekten freihält, als ein Schädling.
|
Die
Saatkrähe ist häufig auf Äckern anzutreffen, auf denen sie
ihre Nahrung findet |
Bild: Markus Glässel |
Da ich seit ungefähr 15 Jahren die Saatkrähe in Würzburg und
Umgebung beobachte und kartiere, konnte ich auch die ganze Palette der
Ablehnung dieses Vogels durch einen Teil der Bevölkerung erleben. Nur
durch den unermüdlichen Einsatz einiger weniger Naturschützer ist es
zu verdanken, dass diese Vogelart hier noch brütet und die
Brutpaar-Anzahl seit einigen Jahren nicht weiter sinkt. Ob dies aber
auch für die nächsten Jahre gilt, da habe ich so meine Zweifel.
Immer wieder wird versucht, diese
Art zu vergrämen. Die Saatkrähen stören einfach. Dabei sind
die Lautäußerungen nur ein Kommunikationsinstrument
untereinander. Hier könnte sich so mancher Zeitgenosse eine
Scheibe davon abschneiden. Anscheinend suchen sie den Schutz
der Menschen! |
|
Bild:
Michael Schiller |
Viele Ansiedlungen der
Saatkähe wurden in den vergangenen Jahren vergrämt |
Große Sorge bereitete mir immer die Ansiedlung an
der Schleuse Randersacker, die größte Ansiedlung in meinem
Kartierungsbereich, weil gegenüber dieser Population, im Stadtteil
Heidingsfeld, bereits eine größere Ansiedlung inmitten eines Bereiches
mit Wohngebiet, Schule, Altenstift, Kinderspielplatz und Friedhof,
vorkommt, ausgerechnet. Eine Vergrämung an der Staustufe und
gleichzeitigem Eindrücken in den Stadtteil Heidingsfeld, wäre
katastrophal.
|
Bei älteren Ansiedlungen, wie hier
im Stadtteil Heidingsfeld, entstehen mit der Zeit, Doppel- und
Dreifachnester. Durch Verfolgung und Mangel an geeigneten
Nahrungsflächen und auch Brutbäumen in unserer ausgeräumten
Kulturlandschaft, auch durch die Intensivierung in der
Landwirtschaft, ist die Saatkrähe zunehmend auch im
Siedlungsbereich von Städten anzutreffen.
|
Saatkrähennester im Bereich Heidungsfeld |
Bild: Dr.Stich |
Also was tun? Ich nahm Kontakt mit dem Wasser- und
Schifffahrtsamt Schweinfurt, Außenbezirk Marktbreit, auf, um in
Erfahrung zu bringen wie das Amt zu der Ansiedlung in Randersacker
steht. Überrascht war ich, als ich eine Antwort bekam, mit dem
Hinweis, dass man sich über die Tiere an der Staustufe freut, und dass
diese Ansiedlung längst zu einem festen Bestandteil der
Schleusenanlage geworden ist.
Diese über viele Jahre gewachsene
Ansiedlung weist keine explosionsartige Vermehrung auf,
sondern ich beobachte immer wieder, wie jüngere Tiere zu
Ausweichplätzen übersiedeln. Diese Ausweichplätze werden nicht
jedes Jahr besiedelt.
|
|
Bild:
Michael Schiller |
Die große
Saatkrähen-Ansiedlung im Bereich der Schleusenanlage |
Wie kann ich nun, den Bürgern demonstrieren, dass eine in Ruhe
gelassene Ansiedlung, sich nicht, wie leider immer wieder angenommen
wird, explosionsartig vergrößert, sondern eher eine Stabilität in der
Ansiedlungsgröße erreicht. Durch meine langjährigen Beobachtungen kann
ich nachweisen, dass "ein Überschuss an Brutvögeln" an andere
Standorte, "Ausweichplätze" abwandern muss. Wir haben in unmittelbarer
Nachbarschaft zur Ansiedlung an der Schleuse, Ausweichplätze die alle
Jahre besiedelt, und auch wieder aufgegeben, werden.
Eine Infotafel über die Saatkrähe soll es sein, die nicht nur
informiert, sondern auch aufmerksam macht auf eine Vogelart, die zu
Unrecht als Schädling verschrieen ist, sondern nach meinen
Beobachtungen eher ein Nützling auf den benachbarten Feldern und
Weinbergen anzusehen ist.
|
"Seit Jahrhunderten wird diese
Vogelart zu Unrecht verfolgt, auch in und um Würzburg. Daher
bin ich sehr dankbar, dass sie hier an der Schleusenanlage
Randersacker, nicht nur ihre Nester bauen darf, sondern auch
willkommen ist". Dies wird auf der Tafel stehen, so hatte
ich es mir aufgeschrieben.
|
Saatkrähen leben in Dauerehe. Beide Altvögel schaffen das
Nistmaterial zum Nest |
Bild: Michael Schiller |
Wieder wird ein Brief an das Wasser- und Schifffahrtsamt
Schweinfurt aufgesetzt, mit der Bitte am Gelände der
Saatkrähenansiedlung eine Infotafel über die Saatkrähe aufstellen zu
dürfen. Es dauert nicht lange und ich bekomme einen positiven Bescheid
darüber. Nun ging es daran, meine "Naturfotografen-Freunde" wieder
einmal zu nerven und um Bildmaterial zu bitten. Innerhalb ein paar
Tage, hatte ich dies beieinander. Hier schon einen großen Dank,
an Markus, Michael, Olav und Gunther für die tollen
Aufnahmen von der Saatkrähe. Etwas länger war ich selbst mit
den Texten beschäftigt.
Nun ging es daran die gesammelten Bilder und Textzeilen zu ordnen
und in "Bild zu setzen". Aufgrund einer ehemaligen Kreisvorstandschaft
in einem Naturschutzverein, hatte ich noch Kontakte zu Experten von
"Natur im Bild", die mir die Bilder und Texte in professioneller
Arbeit auf die Infotafel individuell nach meinen Vorstellungen gekonnt
in "Szene" setzten.
... Im März sind dann die
akrobatischen Flugschauen über den Baumkronen, am liebsten bei
stürmischem Wetter, zu bewundern. Saatkrähen leben in Dauerehe
und auf engstem Raum mit den Nachbarn zusammen. Da die
Saatkrähen sich sehr viel Zeit mit der Aufzucht ihrer Jungen
nehmen, gibt es nur 1 Jahresbrut.
|
|
Bild:
Michael Schiller |
Gemeinsam werden die "besten"
Stöckchen ausgesucht, begutachtet und zum Nest gebracht |
Nach einem Termin vor Ort, an der
Schleusenanlage, mit der leitenden Mitarbeiterin des Außenbezirks
Marktbreit, wurde der Standplatz der Infotafel festgelegt. Nachdem
auch der zuständige Bauhof grünes Licht gab, dass sich dort keine
Steuer- und Fernmeldeleitungen befinden, stand dem Aufstellen der
Infotafel nichts mehr im Wege.
Die Tafel wurde, wie sie nun vor Ort steht, mit dem Aluminiumgestell
dankenswerterweise von der Fa, Wagner, Sicherheitstechnik aus
Gerbrunn bei Würzburg finanziert. Mitte Mai wurde die Tafel
angeschraubt und einzementiert. Diese Arbeiten übernahm die
Baufirma Mathias Amling aus Eibelstadt kostenlos.
|
Die neue Tafel soll zweierlei: den
interessierten Bürger über diese faszinierende Vogelart
informieren und ein Dankeschön an das Wasser- und
Schifffahrtsamt Schweinfurt, dass die Saatkrähe auf dem
Gelände ungestört brüten kann.
|
Die
Infotafel über die Saatkrähe an der Schleusenanlage in
Randersacker steht |
Bild: Simon Wagner |
An dieser Stelle einen herzlichen Dank an Behörde und
Firmleitungen für die unbürokratische Hilfe und Entgegenkommen für den
Naturschutz.
Merkmale der Saatkrähe:
Größe: etwas größer als
eine Taube; Länge: ca. 44
- 46 cm; Flügelspannweite:
81 - 99 cm; Gewicht: 390 -
490 g;
Brutzeit: Ende
März bis Anfang April im Süden, im Norden bis Mai; 1
Jahresbrut; Gelegegröße: 2
- 6 hellblau bis olivbraune Eierfärbung;
Brutdauer: 16 -18 Tage, das
Weibchen brütet allein wird vom Männchen am Nest gefüttert,
das auch am Nest Wache hält; Nestlingszeit:
32 - 35 Tage, beide Partner füttern, anfänglich hudert das
Weibchen mehr
Nahrung:
zumeist aus wirbellosen Tieren, wie Regenwürmer, Larven von
Bodeninsekten, Schnaken, Käfern aber auch Schnecken. Es werden
aber Mäuse erbeutet. Der vegetarische Anteil setzt sich vor
allem aus Getreidekörnern und Feldfrüchten wie Kartoffeln
zusammen. |
Die Nahrungssuche ist bei der
Saatkrähe ein geselliges Ereignis. In ihrem großen Kehlsack
kann sie viel Nahrung auf einmal aufnehmen. Gerne finden sich
die Vögel auf frisch gepflügten Feldern ein ...
|
|
Bild:
Gunther Zieger |
Saatkrähen gehören wie alle
anderen Rabenvögeln zu den Singvögeln |
... und holen die zutage geförderten
Kleintiere vom Boden, dabei können die Saatkrähen Insektenkalamitäten
verhindern, da sie sich sommers hauptsächlich von gerade sehr häufigen
Insekten ernähren. Wo die Saatkrähen nicht verfolgt werden, können sie
sehr vertraut sein, das beweisen die Wintergäste, die in Anlagen bei
der Nahrungssuche oft nur wenige Meter Abstand zu Menschen einhalten.
|
Zum Schutz der Saatkrähe sollten
Wiesenflächen als natürliche Nahrungsräume erhalten werden.
|
Der kahle
Schnabelansatz ist eine Anpassung an die Nahrungssuche im
Boden |
Bild: Gunter Zieger |
Hätten Sie es gewusst:
Das Verschwinden einer Saatkrähenkolonie
gilt in manchen Gegenden als böses Omen. Innerhalb
einer Saatkrähenkolonie herrscht eine klare Hackordnung, nach
der die ältesten Vögel windgeschützt im Inneren der Kolonie
brüten dürfen. Die Schnabelbasis ist nur beim
Jungvogel noch mit Federn bedeckt, der Altvogel hat an dieser
Stelle ein federloses, kahles und graues Feld. (Bild oben)
Beide Geschlechter sind einander ähnlich. Dass
die Saatkrähe in Bayern ein spärlicher Brutvogel ist, mit
einem Bestand von ca. 8400 BP. In Nordbayern gibt es sie nur
in und um Würzburg und Schweinfurt. Die Saatkrähe
kein Nesträuber ist - Eier und Jungvögel gehören nicht zu
ihrem natürlichen Speiseplan. Die großen
Scharen von Saatkrähen, die man im Winter bei uns antrifft,
zum großen Teil Gäste aus Osteuropa sind. Die
Saatkrähe als geselliger Vogel natürlicherweise immer in
größeren Trupps auftritt, dies deutet aber nicht auf eine
Überpopulation hin. Im Englischen gibt es einen
Ausdruck für "Luftlinie", der wörtlich übersetzt: "wie die
Krähe fliegt", heißt. Er bezieht sich auf ihren geraden,
direkten Flug. Im Jahre 1424 erließ König James I.
von Schottland ein Gesetz: Die Farmer wurden aufgefordert,
Netze über ihre Felder zu spannen, um die Saatkrähen, die das
Getreide fraßen, zu fangen und zu töten.
|
Saatkrähen sind in menschlichen
Siedlungen die letzten großen Naturerlebnisse - wir sollten
alles tun um diese nicht zu verlieren.
|
|
Bild:
Markus Glässel |
Jungvogel bettelt um Nahrung -
nach dem flüggewerden verlassen die Vögel ihre Nistplätze |
Nach dem Selbstständigwerden werden die Jungvögel
noch eine gewisse Zeit von den Altvögeln versorgt, wie das obige Bild
gut dokumentiert, bevor sie sich Jugendtrupps anschließen und in der
näheren Gegend umherstreifen. In diesen Jugendtrupps findet nach einem
Jahr auch die Paarbildung statt. Zumeist findet nur eine Jahresbrut
statt. Nur bei einem Gelegeverlust kann es zu einer weiteren Brut
kommen.
Die Saatkrähe kann zugleich Zug- oder auch Standvogel
sein. Generell kan man davon ausgehen, dass der Anteil der Individuen,
die obligate Zugvögel sind, von West nach Ost zunimmt. Westeuropäische
Vögel verbleiben zum Großteil im Brutgebiet. Mitteleuropäische
Populationen ziehen zu etwa 60 Prozent in klimatisch für sie
günstigere Gebiete ab, wobei die Zugentfernungen die 1000 Kilometer
nicht überschreiten.
Die Saatkrähe fehlt in der Südschweiz und in weiten Teilen Österreichs
sowie Italiens.
|
Im Winterhalbjahr treten von
Oktober bis Ende März Saatkrähen oft in riesigen Schwärmen
auf. Dies sind Zuzügler aus nordöstlichen Brutgebieten, die
auf Feldern, Müllhalden aber auch in städtischen Anlagen ihr
Auskommen suchen. Abends fliegen sie dann, wie im Bild, zu
traditionellen Schlafplätzen. Oft sind dies hohe Bäume, aber
auch Gebäude. |
Wintergäste - Versammlung am Main - die auch inmitten der
Stadt Würzburg zu sehen sind |
Bild: Michael Schiller |
Ordnung |
Familie |
Gattung |
Art |
Sperlingsvögel |
Rabenvögel |
Raben und Krähen |
Saatkrähe |
Ich lade Sie ein, sich einmal die Tafel anzusehen und sich ein
Bild vom Treiben in solch einer Saatkrähenkolonie zu machen. Wie
sozial diese Vögel miteinander umgehen, sich lautstark begrüßen und
einfach nur ihre Jungen groß ziehen wollen.
Im Übrigen ist die Tafel bereits in Oberstdorf und Augsburg bekannt,
durch interessierte Naturfreunde die per Rad in Unterfranken unterwegs
waren.
Vielen Dank an alle Beteiligten.
|
|