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Lebensraum Totholz - sehr
lebendig
Lange bevor die Bäume eines natürlichen Todes sterben, wurden diese
und werden auch heute noch, in unseren Wirtschaftswäldern
eingeschlagen, oder es wurde in unseren Wäldern "aufgeräumt". Dies
bezieht sich auch auf die vielen Streuobstwiesen die in der zweiten
Hälfte des 20.Jahrhunderts verschwunden sind.
Diese
abgestorbenen Bäume oder Äste, die dem Ökosystem Wald entnommen
wurden, fehlen so vielen Tier- und Pflanzenarten, die von und im
Totholz leben und nur dort überleben können. Auch wurde dadurch vielen
Pilzarten die Nahrungs- und Lebensgrundlage entzogen.
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Es gibt nur wenige andere
Lebensräume mit einer vergleichbaren, geradezu
unerschöpflichen strukturellen Vielfalt wie der von Totholz.
Stehend oder liegend, wie hier, im Wald, oder einer
Streuobstwiese. ... |
Baumpilze
zersetzen einen abgestorbenen Baum der vor Ort liegengelassen
wurde |
Bild: Thomas Stephan |
... Hier wächst neues Leben aus einem Totholzbaum. Moose haben hier
einen neuen Lebensraum gefunden in ihnen wohnen Käfer und andere
Insekten. Baumpilze werden ihr Werk tun und diesen Baum zersetzen.
Material für neues Leben wird so produziert. Etwa 1500 Pilzarten
können sich auf Totholz ansiedeln.
Pilze spielen
eine zentrale Rolle in vielen Ökosystemen. Ohne die Pilze
würde der Nährstoffkreislauf in unseren Wäldern wohl komplett
zusammenbrechen. |
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Bild:
Thomas Stephan |
Seltener Igelstachelbart aus
dem Steigerwald |
Pilze sind somit die stillen Helfer im Untergrund, im Waldboden,
die unseren Bäumen ein kraftvolles Leben überhaupt ermöglichen. Ohne
Pilze wäre also ein Wald in der uns vertrauten Form schlicht und
einfach nicht vorhanden. Leider sind besonders viele Pilzarten, welche
die für den heimischen Wald so ungemein wichtigen Symbiosen bilden, in
Bayern gefährdet. Von den fast 5.000 Großpilzarten, mussten insgesamt
1.554 einer der Rote-Liste-Kategorien zugeordnet werden.
Der Igelstachelbart ist in der
Rote-Liste-Bayern, sowie Deutschland eine Art 2, d.h. "stark
gefährdet".
Der Igel-Stachelbart (Hericium erinaceus),
wird auch Affenkopfpilz, oder auch Löwenmähne genannt und er ist ein
Pilz aus der Ordnung der Täublingsartigen. Er ist ziemlich selten
anzutreffen, der als Wundparasit an älteren Laubbäumen, zumeist an
Buchen und Eichen wächst. Er ist sowohl an stehenden, als auch an
liegenden alten Baumstämmen, oder Baumstümpfen anzutreffen. Der Pilz
wächst bevorzugt in Wäldern mit einer hohen Luftfeuchtigkeit. Die Art
ist in Europa weit verbreitet, aber überall selten . Er kommt von
Frankreich und Großbritannien, über Dänemark, dem Süden Norwegens, bis
nach Österreich, Ungarn under Schweiz vor. In Deutschland wächst der
Igel-Stachelbart sehr zerstreut, ist aber in fast allen Bundesländern
nachgewiesen.
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Die weiterentwickelten
Weißfäulepilze wie der Echte Zunderschwamm können sowohl
Zellulose als auch Lignin (lat.: "Holz" bewirken die
Verholzung der Zellen) verwerten. Unter ihrem Abbau erscheint
das Holz weiß. |
Zunderschwamm auf liegendem Totholz |
Bild: Thomas Stephan |
Der Zunderschwamm (Fomes fomentarius) ist eine Pilzart aus
der Familie der Stielporlingsverwandten. Dieser Pilz befällt
geschwächte Laubbäume vor allem Buchen und Birken. Er bildet dann an
diesen Bäumen dicke, konsolenförmige, die etliche Jahre alt werden
könne, Fruchtkörper aus. In Europa ist diese Pilzart weit verbreitet.
Dabei ist der Zunderschwamm von großer forstwirtschaflicher Bedeutung,
denn durch ihn eingeleitete Holzzersetzungsprozesse werden die im Holz
enthaltenen Nährstoffe dem natürlichen Kreislauf wieder zur Verfügung
gestellt. Es entsteht neuer Mutterboden. Es entsteht neues Leben. Die
Fruchtkörper des Zunderschwamms dient nebenher auch einer großen
Anzahl von Insektenarten als Nahrung. Eine wissenschaftliche Studie
ergab, diese hatte sich auf die Käferarten spezialisiert, dass 35
Käferarten davon profitieren. Käferarten aus den Familien
Schwarzkäfer, Schwammkäfer und Schillerporling-Pochkäfer.
Anders als das Feuer, das "nur" eine potentielle Gefahrenquelle für
das Waldökosystem darstellt, hat die Entnahme von Totholz einen
unmittelbaren und sofortigen Einfluss. Totholz ist Nahrung, Brut- und
Wohnhöhle, Ansitz und Singwarte, Trommelbaum und Orientierungsmarke.
Es erhöht die Strukturvielfalt, schützt vor Erosion und leistet einen
wichtigen Beitrag zur Humusanreicherung des Bodens.
Totholz ist
nicht tot, sondern sehr lebendig. Lebensraum für z.B. 1400
Käferarten und ihrer Larven. Diese besiedeln jede nur denkbare
ökologische Nische im Holz. Zahlreiche Mücken- und
Fliegenlarven leben als Müllabfuhr von Kot und Mulm in den
Fraßgängen anderer Insekten. Wildbienen legen ihre mit Nektar
und Blütenstaub gefüllten Brutzellen in verlassenen
Käferfraßgängen an, wo sie von Goldwespen oder Buntkäfern
parasitiert werden.
Totholz ist ein Lebensraum auf den viele Tierarten angewiesen
sind. Viele Arten leben ihr ganzes Leben in diesem Bereich und
benötigen den Mulm des Totholzes für ihre Existenz. |
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Bild:
Thomas Langhirt |
Totholz bietet einer Fülle von
Insekten, Käfern und Vögeln Lebensraum |
Als Totholz wird stehendes oder liegendes abgestorbenes Holz
bezeichnet. Das können ein einzelner Ast, ein abgestorbener Baum oder
alle Übergänge dazwischen sein. Wenn man sich mit dem Thema ein
wenig beschäftigt, wird man irgendwann feststellen, wie paradox der
Begriff "Totholz" eigentlich ist. Denn auch "lebendes" Holz besteht zu
einem Großteil aus bereits abgestorbenen, also toten Zellen. Nach dem
Absterben des Holzes beginnt eine Besiedlung mit Tausenden von
verschiedenen Arten. Mit Milben und Bärtierchen dicht besiedelte
Moospolster und bizarre Bartflechten verwandeln einen abgestorbenen
Baum in ein märchenhaftes Wesen. Jeder Zentimeter, ja Millimeter, des
Holzes wird nach und nach von hauchfeinen Pilzhyphen durchwuchert, die
trotz ihrer Zartheit von feinen Stechrüsseln der Rindenwanzen besaugt
werden.
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Die Holz bewohnenden Pilze nehmen
jene Aufgabe war, die ihnen von der Natur ureigentlich
zugewiesen worden sind. Sie vereinen sich zum größten und
genialsten Recycling-Unternehmen, das es je gab. ... |
Dorniger
Stachelbart - ein Recycling-Spezialist |
Bild: Thomas Stephan |
... In einer Kette hochkomplizierter biochemischer
Zersetzungsprozesse wandeln sie tote organische Materie in Nährstoffe
für künftige Tier- und Pflanzengenerationen um. Leider haben es die
Stachelbärte sehr schwer. Der Dornige Stachelbart bevorzugt die
Rotbuche. Kommt also im Steigerwald noch vor. Sein Nachteil aber: Nur
zögerlich bleiben in unseren Wäldern solche "alte Riesen" liegen,
werden nicht vorzeitig eingeschlagen. Leider können sich noch immer
einige Politiker nicht dazu durchringen, den Steigerwald zum
Nationalpark auszurufen.
Der Dornige Stachelbart
(Hericium cirrhatum)
Der
Dornige Stachelbart ist eine Pilzart aus der Familie der
Stachelbartverwandten. Der Fruchtkörper ist ca. 5 - 15 cm
breit und besteht aus halbkreisförmigen, muschelförmigen, oder
wulstigen, oft dachziegelig und nebeneinander verwachsenen
Einzelhüten. Seine Oberfläche ist höckerig bis kegelförmig
warzig, besonders zum Rand hin mit liegenden bis angedrückten
sterilen Stacheln besetzt. Er ist cremefarben, später wird er
gelbbräunlich. Sein Rand ist bisweilen heruntergebogen. Die
Unterseite mit dem Hymenium (deutsch: Fruchtfleisch. Darunter
versteht man den Ort der Sporenbildung) ist dicht mit langen
cremefarbenen Stacheln bedeckt. Das Fleisch des Dornigen
Stachelbartes ist brüchig, weich, alt zäh und weißlich bis
cremefarben. Sein Geruch ist angenehm. Der Geschmack mild.
Jung ist er essbar und ist mit Giftpilzen kaum zu verwechseln.
Der Dornige Stachelbart wächst von August bis November auf dem
morschen Holz von abgestorbenen Laubbäumen. Er kommt auf
Rotbuchen, Birken und Eichen vor.
Aufgrund seiner Seltenheit - Rote
Liste G3 sollte die Art geschont werden.
Ordnung: Täublingsartige
Familie:
Stachelbartverwandte
Gattung: Stachelbärte |
Eine Erzwespe befreit sich mühsam aus der leergefressenen
Hülle eines Borkenkäfers, um sofort von einer Springspinne erbeutet zu
werden, die wiederum einem hungrigen Kleiber ins Auge sticht. Die
Larve der Riesenholzwespe weidet unermüdlich den Pilzrasen in ihren
Fraßgängen ab, mit dessen Sporen das Holz bei der Eiablage vom
Weibchen angeimpft wurde. Drei Zentimeter über ihr ist die
Holzschlupfwespe dabei, ihren Legestachel zielsicher durch das massive
Holz zu treiben, um ihr Ei in der ahnungslosen Riesenholzwespenlarve
abzulegen. Überall im Totholz wimmelt es von Leben, ein Biotopverbund
für sich.
Vor allem in
lichten Laub- und Mischwäldern mit altem Baumbestand (vor
allem Eichen), aber auch in größeren Feldgehölzen werden die
Jungen aufgezogen.
Untersuchungen zufolge werden in Mitteleuropa die Jungvögel
ausschließlich mit Insekten und Spinnentieren gefüttert,
häufig mit Raupen des Eichenwicklers. Auch die Altvögel
fressen im Sommer vor allem Insekten und Spinnen.
Allerdings benötigt der Kleiber das Altholz, Totholz, morsche
Bäume in denen er nach der Nahrung stochert und suchen kann.
Verluste erleidet er dort, wo das Tot- und Altholz
herausgenommen werden, z.B. nach Stürmen.
Wegen seiner
Einzigartigkeit und der engen Bindung an Wälder mit Totholz
oder altem Baumbestand wurde der Kleiber in Deutschland und
Österreich zum "Vogel des Jahres" 2006 ernannt. Dies war
auch ein Plädoyer für den Schutz von alten Eichen- und
Buchenwäldern, in denen auch Totholz liegen oder stehen
gelassen wird. |
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Bild:
Maximilian Dorsch |
Ein kopfüber abwärts
kletternder Kleiber bewegt sich ruckartig |
In kleinen, wassergefüllten Mulmhöhlen filtrieren
Schwebfliegenlarven Bakterien und Pilze. Mehr als 1400 Käferarten und
ihre Larven besiedeln jede nur denkbare ökologische Nische im Holz.
Man schätzt, dass 66% der auf Totholz angewiesenen Käfer auf der
"Roten Liste" stehen. Arten, wie:
Blutroter
Schnellkäfer,
Ameisenbuntkäfer,
Nashornkäfer, Rosenkäfer,
Eichenwidderbock, Pinselkäfer,
Hirschkäfer, Eremit und Scharlachroter Feuerkäfer kommen
hier vor. Zahlreiche Mücken- und Fliegenlarven leben als Müllabfuhr
von Kot und Mulm in den Fraßgängen anderer Insekten.
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Totholzbaum mit Tausenden von
Einstichen verschiedener Hautflügler zu denen neben Ameisen,
auch Wespen, Pflanzenwespen, Taillenwespen und die Wildbienen
gehören.
Mauerbienen z.B. bauen ihre Nester auch in Ritzen im Totholz
und verlassenen Fraßgängen anderer Insekten. Die Holzbiene
legt Brutzellen in trockenen, sonnenexponiertem und leicht
morschem Totholz an und überwintert im Totholz. Die Echten
Wespen benötigen Holz zum Nestbau und hängen ihre Bauwerke
auch in trockene Hohlräume alter Bäume. Viele weitere
Wildbienen, oder Hummeln sowie Hornissen leben in
abgestorbenen Holzstämmen oder in aufrecht stehenden
Baumstümpfen.
So auch die
Große Blaue Holzbiene, die eine der
größten heimischen Wildbienen ist. |
Totholzbaum mit Tausenden von Insekteneinstichen |
Bild: Thomas Langhirt |
Wildbienen legen ihre mit Nektar und Blütenstaub gefüllten
Brutzellen in verlassenen Käferfraßgängen an, wo sie von Goldwespen
oder Buntkäfern parasitiert werden. Die Rossameise nagt mit ihren
kräftigen Kiefern ihr bis zu zehn Meter hohes Nestsystem in das Holz
und löst damit begeisterte Besuche des
Schwarzspechts
aus. Spechthöhlen beherbergen - abgesehen von ihren ursprünglichen
Besitzern - eine Reihe von Höhlenbrütern wie
Meisen, Sperlinge,
Kleiber, Dohlen, Stare und Hohltauben.
Noch ragen
seine Äste himmelwärts und berühren den Boden nicht. Bricht
der morsche Stamm irgendwann endgültig in sich zusammen, hat
er direkten Kontakt zum feuchten Boden und die bisher im
Inneren der Baumhöhle geschützten trockenen Bereiche sind nun
der Witterung ausgesetzt. Dies bringt letztendlich alle Pilze
im Umfeld auf Trab und die Reste dieser Baumruine wird zum
Tummelplatz von Pilzfruchtkörpern. |
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Bild:
Privat |
Totholzbaum - alte Kirsche -
der bemerkenswerterweise liegen bleiben durfte |
Waldkauz, Steinkauz, Raufußkauz und Fledermäuse starten von
dort ihre Beutezüge. Bilche,
Baummarder und Mäuse suchen dort
Unterschlupf. Unter in Stammhöhlen erbauten Hornissennestern entstehen
nährstoffreiche Abfallhaufen aus Beuteresten, Kot, abgestorbenen
Larven, Puppen und Insekten. Dort haben sich Spezialisten wie der
Hornissenkäfer angesiedelt. Mulmhöhlen in alten Eichen beherbergen
jahrhundertelang die Creme de la Creme unter den Totholzbewohnern.
Wohin man blickt, überall stößt man auf Leben, auf eine schier
grenzenlose Artenfülle. Totholz ist Leben pur, Leben in
überschäumender Fülle. Totholz ist eine Welt für sich. Totholz ist
Lebensraum für eine unglaubliche Vielfalt und Anzahl von Tieren.
Totholz ist eine Welt der Wunder.
Ich werde hier sukzessive die
verschiedenen Arten bebildert und beschrieben vorstellen, demnächst
den Blutroten Schnellkäfer.
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