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Die Spinnen des Jahres seit 2000
Dieser Titel wird seit dem Jahr 2000 von der Arachnologischen
Gesellschaft e.V. (AraGes) ausgelobt.
Seit 2006 küren Spinnenexperten, 83 Arachnologen aus 26 europäischen
Ländern, die Europäische Spinne des Jahres, um verstärkt die überaus
spannenden Seiten dieser nützlichen Tiere aufzuzeigen. Die
Koordination der Wahl liegt beim Naturhistorischen Museum Wien, in
Zusammenarbeit mit der Arachnologischen Gesellschaft (AraGes) und der
European Society of Arachnology (ESA).
Jahr |
Spinne |
wissenschaftlicher Name |
2000 |
Die Wasserspinne |
Argyroneta aquatica |
2001 |
Die Wespenspinne |
Argiope bruennichi |
2002 |
Die Listspinne |
Pisaura mirabilis |
2003 |
Die Große Zitterspinne |
Pholcus phalangioides |
2004 |
Die Grüne Huschspinne |
Micrommata virescens |
2005 |
Die Zebraspringspinne |
Salticus scenicus |
2006 |
Die Veränderliche Krabbenspinne |
Misumena vatia |
2007 |
Die (Sand)-Wolfspinne |
Arctosa cinerea |
2008 |
Die Winkelspinne |
Tegenaria atrica |
2009 |
Die Dreiecksspinne |
Hyptiotes paradoxus |
2010 |
Die Gartenkreuzspinne |
Araneus diadematus |
2011 |
Die Gemeine Labyrinthspinne |
Agelena labyrinthica |
2012 |
Die Große Höhlenspinne |
Meta menardi |
2013 |
Die Gemeine Tapezierspinne |
Atypus affinis |
2014 |
Die Gemeine Baldachinspinne |
Linyphia triangularis |
2015 |
Die Vierfleck-Zartspinne |
Anyphaena accentuata |
2016 |
Die Konusspinne |
Cyclosa conica |
2017 |
Die Spaltenkreuzspinne |
Nuctenea umbratica |
2018 |
Die Fettspinne |
Steatoda bipunctata |
2019 |
Die Ameisenspringspinne |
Myrmarachne formicaria |
2020 |
Die Gerandete Jagdspinne |
Dolomedes fimbriatus |
2021 |
Der Zweihöcker-Spinnenfresser |
Ero furcata |
2022 |
Der Trommelwolf |
Hygrolycosa rubrofasciata |
2023 |
Der Ammendornfinger |
Cheiracanthium punctorium |
Der Ammendornfinger (Cheiracanthium punctorium)
ist die Spinne des Jahres 2023
Information
Der
Ammendornfinger (Cheiracanthium punctorium - Villers, 1789) gehört zur Familie der
Dornfingerspinnen (Cheiracanthiidae). Diese
Spinnenfamilie zählt weltweit 363 Arten, von denen in Europa 35
bekannt sind. In der Gattung Cheiracanthium (Echte Dornfinger) gibt es
in Deutschland 12, in Österreich 10 und in der Schweiz 7 Arten.
Verbreitung, Lebensraum
und Gefährdung
Der Ammendornfinger ist
paläarktisch verbreitet, von Europa bis Zentralasien. In Mitteleuropa
bzw. Österreich ist die Art vornehmlich an die planar-kolline
Höhenstufe (bis 800 m Seehöhe) gebunden, es gibt aber auch Nachweise
in höheren Lagen (bis zu 1000 Meter). Cheiracanthium punctorium lebt
vor allem in der Kraut- und Strauchschicht warmer, offener
Lebensräume, kann aber auch an feuchten Stellen in wenig genutzten
Wiesen gefunden werden. In Österreich gilt die Art als nicht
gefährdet. In Deutschland steht sie in einigen Bundesländern auf der
Roten Liste.
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Der Dornfinger ist die einzige wirklich giftige Spinne bei
uns. Er ist zugleich die größte Art seiner Gattung und
erreicht bis 15 mm Länge. Das Männchen bleibt allerdings
kleiner. |
Der Ammendornfinger ist die Spinne
des Jahres 2023 - hier ein Weibchen |
Bild: © Hubert Hoefer |
Beschreibung
Die Körperlänge von Cheiracanthium punctorium beträgt bei Weibchen 10
- 15 mm, die Männchen sind mit 7,5 - 12 mm etwas kleiner. Der
Vorderkörper ist grünlich-braun, kann mitunter aber auch völlig
orange-rötlich gefärbt sein. Die sehr kräftigen und langen Chelizeren
(als Chelizere oder Kieferklaue wird das kennzeichnende Merkmal der
Kieferklauenträger bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine zu einem
Mundwerkzeug umgewandelte Extremität im Kopfbereich) besitzen rote
Grundglieder und die Klaue weist eine schwarze Spitze auf. Der
blass-gelb-grünliche Hinterleib ist oft mit einem dunklen Spießfleck
versehen, der bis zur Mitte des Hinterleibs reichen, jedoch auch
gänzlich fehlen kann.
Die gelblichen Beine weisen schwarze
Spitzen auf. Das erste Beinpaar ist verlängert, wodurch man
Dornfingerspinnen der Gattung Cheiracanthium recht gut von Sackspinnen
der Gattung Clubiona unterscheiden kann, mit denen man sie auf den
ersten Blick durchaus verwechseln könnte.
Lebensweise
Die vorwiegend nachtaktiven Tiere bauen zum Beutefang keine Netze. Sie
schleichen sich an ihre Beutetiere heran und überwältigen sie mit einem
Giftbiss. Der Ammendornfinger kann aufgrund seiner Größe und der
kräftigen Chelizeren auch große Insekten, wie Heuschrecken oder
Gottesanbeterinnen überwältigen.
Der Dornfinger bewohnt Wiesen mit
hohem Gras und baut sich einen rundum geschlossenen Wohnsack
aus zusammengesponnen Gräsern, in dem er sich tagsüber
verbirgt. |
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Bild: © Hubert Hoefer |
Der Dornfinger lebt bei uns in besonders warmen Gebieten -
z.B. im Kaiserstuhl |
Die Tiere verbringen den Tag über in kugeligen Ruhegespinsten,
meist in krautiger Vegetation, in Gestrüpp oder unter Steinen. Man
findet sie vorwiegend in ungenutzten Offenlandbiotopen vor allem im
hohen Gras und in Hochstauden. Man kann sie aber gelegentlich auch an
Waldlichtungen, Ackerbrachen und Wiesen, sowie an Weg-, Grabrändern
und Bahndämmen antreffen.
Im Hochsommer bauen die subadulten
Weibchen auffällige, hühnereigroße Brutgespinste, die mit Grashalmen,
Blättern oder Stängeln verwoben werden. Gleich daneben spinnen reife
Männchen ihr Ruhegespinst und sobald die Reifehäutung des Weibchens
erfolgt ist, durchbricht das Männchen die Wand zwischen den
beiden Gespinsten und es kommt zur Paarung. Dann erfolgt darin im
August die Ablage von ca. 80 - 300 Eiern in einen Kokon. In diesem
Zeitraum werden die Gespinste vom Weibchen sehr vehement und aggressiv
verteidigt. Das Bild einer Amme, die sich schützend vor die ihr
anvertrauten Kinder stellt, mag einen in den Sinn kommen, wenn man an
eine solche Szene denkt, die dieser Spinne auch ihren deutschen Namen
eingetragen hat. "Dornfinger" selbst bezieht sich auf einen langen,
dünnen Dorn, den die Männchen an ihrem Taster tragen.
Die
Jungspinnen schlüpfen 3 - 5 Wochen später aus dem Kokon, etwa im
Zeitraum von Mitte September bis Anfang Oktober, verlassen danach das
Gespinst und überwintern in selbstgebauten, bodennahen Gespinsten, die
einen ungefähren Durchmesser von etwa 5 mm aufweisen. Erwachsene
Ammendornfinger sind vor allem von Juni bis Oktober aktiv.
Hier ein Männchen.
Der
Ammendornfinger ist die größte europäische Art der Gattung
Cheircanthium.
Im Vergleich zu den meisten anderen
mitteleuropäischen Spinnen ist die Fortpflanzungsbiologie des
Ammendornfingers relativ gut untersucht.
Geschlechtsreife Männchen spinnen direkt an die Ruhegespinste
subadulter Weibchen das eigene Ruhegespinst. |
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Bild: © Michael Titz |
Ein Ammendornfinger hat ein Gespinst gebaut |
Giftwirkung
Der Ammendornfinger kann Menschen tatsächlich beißen, d.h., er kann mit
seiner Chelicerenklaue die Haut des Menschen durchdringen und dabei
Gift injizieren. Die versteckte Lebensweise des Ammendornfingers,
meist weitab von menschlichen Wohnungen, macht jedoch einen Biss beim
Menschen relativ unwahrscheinlich. Derartige Zwischenfälle ereignen
sich vor allem dann, wenn man versucht, das Tier zu fangen oder es
versehentlich quetscht.
Der Biss verursacht einen sofortigen
stark brennenden Schmerz, der sein Maximum nach 5 - 20 Minuten
erreicht und für einige Stunden anhalten kann. Die Schmerzintensität
wird von Betroffenen meist mit einem Wespenstich verglichen. Der Biss
kann Symptome wie moderate lokale Anschwellungen, Rötung, Juckreiz,
Übelkeit und leichtes Fieber auslösen. Nekrotische Hautveränderungen
werden nicht verursacht. Wie bei allen Wunden, kann sich diese
allerdings entzünden und in weiterer der Folge zu Schädigungen der
betroffenen Hautregion führen. Bei Bedarf ist eine symptomatische
Therapie empfohlen.
Man sollte beim Mähen hohen Grases eine
lange Bekleidung bevorzugen.
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Der Biß eines Dornfingers kann länger anhaltende Schmerzen
bewirken, die man mit einem Wespenstich vergleichen kann.
Weibchen können nach Bezug ihres Brutgespinstes nur noch durch das
Zerstören ihres Gespinstes provoziert werden. |
Männliche Ammendornfinger-Spinne |
Bild: © Wolfgang Kairat |
Ähnliche Arten
Von seinen in Mitteleuropa verwandten Arten kann man den
Ammendornfinger recht gut aufgrund seiner prominenten Färbung und
seiner auffälligen Größe unterscheiden. Verwechslungen können sich
allenfalls mit ähnlich großen Arten aus der Familie der Sackspinnen
(Clubionidae) ergeben.
Ordnung |
Unterordnung |
Familie |
Gattung |
Art |
Webspinnen |
Echte Webspinnen |
Dornfingerspinnen |
Dornfinger |
Ammendornfinger |
Auch in Österreich wurden Vorkommen der Art schon im
19.Jahrhundert beschrieben. Hier ist die Art heute in den
Bundesländern Niederösterreich, Burgenland, Steiermark, Tirol, Kärnten
und Wien nachgewiesen.
Für die Schweiz meldete bereits de
Lessert 1910 Cheiracanthium punctorium für die überwiegend westlich
und südlich gelegenen Kantone Basel-Landschaft, Genf, Wallis, Waadt
und Tessin.
Warum wurde
der Ammendornfinger zur Europäischen Spinne des Jahres gewählt?
Einerseits gab es aus dieser Spinnenfamilie noch nie einen
Vertreter als Spinne des Jahres, andererseits wird diese Art relativ
häufig in den Medien genannt, weil sie auch mit Bissfällen in
Verbindung gebracht und daher als medizinisch relevant angesehen wird.
Sehr oft sind es aber nur Vermutungen. Umso wichtiger ist es daher,
entsprechende Fälle zu dokumentieren und generell Fakten über diese
Spinne aufzuzeigen, um unbegründete Furcht zu vermeiden.
Mit der Wahl der Spinne des Jahres soll aber nicht nur eine "wenig
beliebte" Tiergruppe ins rechte Licht gerückt und auf bedrohte
Lebensräume - in diesem Fall offene trockene Standorte wie Wiesen,
Weiden, Steppenrasen - hingewiesen werden, sondern gleichzeitig
erhoffen sich die Wissenschaftler, Daten zur aktuellen Verbreitung zu
bekommen. In diesem Sinne: erfreuen Sie sich an der Spinne des Jahres
und helfen Sie mit ihrer Fundmeldung oder ihrem Foto bei der
Dokumentation dieser Art.
Gewählt wurde die "Europäische Spinne des Jahres" von 84
Arachnologen aus 27 europäischen Ländern. Die Koordination der Wahl
liegt beim Naturhistorischen Museum Wien, in Zusammenarbeit mit der
Arachnologischen Gesellschaft (AraGes) und der European Society of
Arachnology (ESA).
Vielen Dank an Herrn Mag. Christoph Hörweg, Leiter Sammlung
Arachnoidea, Naturhistorisches Museum Wien, für seinen Pressetext, sowie
die von ihm zur Verfügung gestellten Bilder von
Herrn Hubert Hoefer, Herrn Michael Titz und
Herrn Wolfgang Kairat.
Möchten Sie mehr wissen:
www.arages.de
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