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Das Fossil des Jahres seit 2008
Das Fossil des Jahres ist eine seit
2008 von der Paläontologischen Gesellschaft verliehene Auszeichnung
eines bestimmten Fossils. Bei der Auswahl aus einer Reihe von
Vorschlägen werden sowohl die wissenschaftliche Bedeutung als auch der
Museumswert berücksichtigt, die Mitglieder der Paläontologischen
Gesellschaft treffen die Wahl auf ihrer Jahrestagung. Die Gesellschaft
verfolgt damit das Ziel, die Paläontologie stärker ins Bewusstsein der
Öffentlichkeit zu rücken.
Fossilien sind einmalige Zeugnisse
der Entwicklung des Lebens auf unserem Planeten. Sie liefern uns
Hinweise auf oft dramatische Veränderungen der Umwelt und der
Lebensbedingungen über unvorstellbar lange Zeiträume. Anschaulich
zeigen sie, wie die heutige Vielfalt der Organismen im Laufe der
Evolution entstanden ist und dokumentieren auch Lebensformen, die
heute nicht mehr existieren. Fossilien haben einen großen praktischen
Nutzen, etwa in der Exploration von Rohstoffen oder in der
Klimaforschung, aber immer handelt es sich um besondere Objekte
naturwissenschaftlicher Erkenntnis. Manche Fossilfunde sind
spektakuläre Museumsexponate, die den Betrachter durch ihre
ungewöhnliche Gestalt, ihre Erhaltung, ihre Größe oder ihren
ästhetischen Reiz in Erstaunen versetzen. Dadurch sind sie vielfach
auch zu Sinnbildern der kulturellen Entwicklung des Menschen in seiner
Auseinandersetzung mit der Entstehung und Entwicklung des Lebens
geworden.
Die bisherigen Fossile des Jahres
Jahr |
Fossil |
Museum |
2008 |
Riesenammonit (Parapuzosia seppenradensis) |
LWL-Museum für Naturkunde in Münster |
2009 |
Juravenator |
Jura-Museum in Eichstätt |
2010 |
Riesen-Kalamiten |
Museum für Naturkunde in Chemnitz |
2011 |
Drei Haie (Orthacanthus senckenbergianus) |
Naturhistorisches Museum (Schleusingen) |
2012 |
Brachiosaurus brancai (heute
Giraffatitan brancai) |
Museum für Naturkunde (Berlin) |
2013 |
Gomphotherium von Gweng |
Paläontologisches Museum München |
2014 |
"Schwäbisches Medusenhaupt" (Riesen-Seelilie) |
Universität Göttingen |
2015 |
Riesentausendfüßer (Arthropleura armata) |
Zentrum für Biodokumentation (ZfB) in
Landesweiler-Reden, Saarland |
2016 |
Jurameer-Sprotte (Leptolepides sprattiformis) |
Bayer.Staatssmlg. f. Paläontologie u. Geol. |
2017 |
Auster Pycnodonte (Phygraea) vesiculare |
Kreidemuseum Gummanz/Rügen MV |
2018 |
Lepidodendron - der Schuppenbaum |
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2019 |
Encrinus liliiformis - der
"Lilienstein" |
Muschelkalkmuseum Ingelfingen |
2020 |
Urvogel - das Archaeopteryx |
Jura-Museum Eichstätt |
2021 |
Flugsaurier - Scaphognathus
crassirostris |
Goldfuß-Museum Bonn |
2022 |
Mikrofossil - Neoflabellina
reticulata |
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2023 |
Pflanzenfossil
Medullosa stellata |
Museum für Naturkunde Berlin |
Fossil des Jahres 2023: Medullosa
stellata - Pflanzenfossil
2023: Medullosa stellata - ein seltsames Farnsamer-Fossil
Faszinierende Erdgeschichten: Was die Paläontologinnen und
Paläontologen anhand von Fossilfunden über die Lebensbedingungen in
grauer Vorzeit herausfinden, ist manchmal außergewöhnlich. Zum
Beispiel die Geschichte der heute ausgestorbenen Farnsamer aus dem
Versteinerten Wald bei Chemnitz. Hier wurde während eines
Vulkanausbruchs vor 291 Millionen Jahren, im Perm, ein ganzer Wald in
nur kurzer Zeit unter vulkanischer Asche begraben und damit
konserviert. Eine Medullosa-Krone war der Auflast durch den Ascheregen
nicht gewachsen. Sie brach ab, fiel in die Asche: ein echter
Glücksfall. Denn die so konservierte Krone konnte ausgegraben und
wissenschaftlich untersucht werden. Und: Am oberen Stamm dieser
Medullosa stellata saßen noch einige über drei Meter lange
Gabelwedel mit Alethopteris schneideri-Laub an. Das beweist
die für damalige Verhältnisse große Blattmasse dieser
baumfarnähnlichen Pflanze.
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Pflanzenfossil
Medullosa stellata
mit Alethopteris schneideri
aus dem fühen Perm. Die konservierte Krone konnte
ausgegraben und wissenschaftlich untersucht werden.
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Das Fossil des Jahres 2023
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Medullosa stellata |
Aufnahme: © Ludwig Luthardt -
Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung -
Museum für Naturkunde Berlin |
Ein Ökomarker
Anhand dieses Fossilfundes kann erstmals die Wuchsform einer
Medullosa-Pflanze des Perm rekonstruiert werden. Im Gegensatz zu den
Vorläufern aus der Karbon-Zeit hatte sie verholzte Stämme und konnte
bis zu zehn Meter hoch werden. Sie wuchs an Feuchtstandorten, im
lichten Schatten anderer großer Bäume. Und Hinweise auf die Ökologie
gibt uns das Fossil des Jahres auch: Die Anatomie der Leitbahnen im
Holz lässt vermuten, dass Medullosa stellata große Mengen
Wasser aufnehmen und verdunsten konnte. Die Medullosen trugen damit
vermutlich wesentlich zum feuchten Mikroklima in den Wäldern des
frühen Perms bei. Die zunehmende Austrocknung des Urkontinents Pangäa
ab dem mittleren Perm führte zum Verlust der Feuchthabitate von
Medullosa, sodass sie am Ende des Perms ausstarb. Ihre fossilen
Relikte sind am Museum für Naturkunde in Chemnitz und im
Naturhistorischen Museum Schloss Bertholdsburg in Schleusingen zu
bewundern.
In diesem Jahr sind es genau genommen zwei
Fossilien, die jedoch zu ein und demselben Organismus gehören. Es
handelt sich um die fossile Pflanze Medullosa stellata mit
ansitzenden Wedeln des Typs Alethopteris schneideri. Sie
gehört zur heute ausgestorbenen Gruppe der Farnsamer und gedieh in
saisonal trockenen Feuchtwäldern der Paläotropen im frühen Perm vor
ca. 290 Millonen Jahren. Medullosa stellata wurde erstmals
durch Bernhard von Cotta im Jahr 1832 beschrieben, doch bis heute weiß
man verhältnismäßig wenig über diese mit heutigen Pflanzen kaum
vergleichbare Gruppe von altertümlichen Samenpflanzen. Die Medullosen
ähneln in ihrer Wuchsform und Belaubung heutigen Baumfarnen. Mit
Farnen sind sie aber kaum verwandt, da sie sich nicht durch Sporen,
sondern durch Samen vermehrten. Am nächsten sind sie vermutlich mit
den Cycadeen (ugs.Palmfarnen) verwandt, von denen es auch heute noch
lebende Vertreter gibt.
Die Medullosen waren im Karbon Teil der
kohlebildenden Moorwald-Vegetation. Im späten Karbon verschwanden
diese Moorwälder als Folge eines globalen Klimawandels, der zur
schrittweisen Aridisierung (Klimaentwicklung hin zu trockenerem Klima)
in den tropischen und subtropischen Ökosystemen führte. Einige der
Medullosen schafften es jedoch, sich an das saisonal trockene Klima
anzupassen und bildeten eine diverse Pflanzengruppe in den Wäldern des
frühen Perms Mitteleuropas. Davon zeugen zahlreiche Fossilien ihrer
Blätter in Abdruckerhaltung, die in den Rotliegend-Becken
Mitteleuropas gefunden werden. Wie diese Pflanzen aussahen, lässt sich
anhand des Laubes allein jedoch nicht rekonstruieren. Die vollständige
Erhaltung fossiler Pflanzen findet nur unter sehr besonderen
Einbettungsbedingungen statt, wie im Versteinerten Wald von Chemnitz.
Dort wurde ein ganzer Wald in kürzester Zeit nahezu vollständig unter
vulkanischer Asche in Folge eines nahegelegenen Vulkanausbruchs an Ort
und Stelle begraben. So konnte das Fossil des Jahres 2023 ausgegraben
werden.
Vorschläge, ein besonderes Fossil zum
Fossil des Jahres zu ernennen, können jederzeit bei der
Geschäftsstelle der Paläontologischen Gesellschaft eingereicht werden,
unter
www.palges.de
Vielen Dank an Frau
Tina Schlüter, von der Paläontologischen Gesellschaft, Frankfurt, für
den Pressetext und die Möglichkeit eine Aufnahme von Herrn Ludwig
Luthardt, Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung
- Museum für Naturkunde Berlin, veröffentlichen zu dürfen.
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