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Das Reptil des Jahres seit 2006
Erstmals hat die Deutsche Gesellschaft für
Herpetologie und Terrarienkunde e.V. (DGHT) beschlossen, vom Jahre 2006
an abwechselnd eine Reptilien- oder Amphibienart des Jahres der breiten
Öffentlichkeit vorzustellen.
Die Entscheidung für 2006 fiel auf die Waldeidechse.
Den Lurchen (Amphibien), insbesondere aber den Kriechtieren (Reptilien),
stehen weite Bevölkerungskreise auch heute noch skeptisch bis ablehnend
gegenüber. In den bei vielen Fernsehzuschauern so beliebten "Tierfilmen"
werden diese Tiere, vor allem gegenüber den Vögeln und Säugetieren, nach
wie vor eher stiefmütterlich behandelt. Viele unserer einheimischen
Arten sind inzwischen in ihren Beständen stark gefährdet, teilweise
sogar vom Aussterben bedroht. Ganz allgemein erweist sich die
Bestandsentwicklung von Amphibien und Reptilien als guter Indikator für
den Zustand unserer mitteleuropäischen Kulturlandschaft. Dies war der
Grund für die Entscheidung "Reptil des Jahres".
Für die Jahre sind dies:
Jahr |
Reptil - Amphibie |
wissenschaftlicher Name |
2006 |
Die Waldeidechse |
Zootoca vivipara |
2007 |
Die Knoblauchkröte |
Pelobates fuscus |
2008 |
Der Laubfrosch |
Hyla arborea |
2009 |
Die Würfelnatter |
Natrix tessellata |
2010 |
Der Teichmolch |
Lissotriton vulgaris |
2011 |
Die Mauereidechse |
Podarcis muralis |
2012 |
Die Erdkröte |
Bufo bufo |
2013 |
Die Schlingnatter |
Coronella austriaca |
2014 |
Die Gelbbauchunke |
Bombina variegata |
2015 |
Die Sumpfschildkröte |
Emys orbicularis |
2016 |
Der Feuersalamander |
Salamandra salamandra |
2017 |
Die Blindschleiche |
Anguis fragilis |
Die Blindschleiche ist zum "Reptil des Jahres 2017" ernannt
worden.
Weder blind noch Schlange sondern eine beinlose Echse
Die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT)
hat gemeinsam mit ihren Partnerorganisationen die Blindschleiche zum
Reptil des Jahres 2017 ernannt.
Die Blindschleiche ist eine von mehreren beinlosen Echsen, die auf der
ganzen Welt vorkommen. Den Vorfahren dieser Echsen wurden die Beine
irgendwann einmal eher hinderlich als hilfreich, so dass sich die
Extremitäten langsam zurückbildeten und sie sich fortan wie Schlangen
fortbewegten.
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Die Blindschleiche sieht aus wie eine Schlange, ist aber
eigentlich eine Echse, die keine Beine mehr hat. Gerät sie in
Gefahr, wirft sie ihren Schwanz ab und lenkt so den Angreifer
von sich selbst ab. |
Die Blindschleiche ist zum Reptil des
Jahres 2017 ausgerufen worden |
Bild: DGHT / Kwet |
Die Blindschleiche ist weder blind noch eine Schlange, sondern
eine beinlose und mit Augen ausgestattete Echse. Ihr irreführender
Name ist abgeleitet von dem althochdeutschen Wort "Plint" (für
blendend) und bezieht sich auf den bleiernen Glanz ihres Körpers. Die
anpassungsfähige, aber versteckt lebende Art gilt in Deutschland
aktuell als ungefährdet und ist noch fast flächendeckend verbreitet.
Allerdings ist über ihre Biologie nur wenig bekannt und die Bestände
scheinen vielerorts leider zurückzugehen.
Schlangen haben lange, gespaltene
Zungen. Blindschleichen haben eine gekerbte Zunge.
Ebenso können Blindschleichen, gegenüber Schlangen, mit den
Augenlidern blinzeln. |
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Bild: DGHT / Trapp |
Der Kopf der Blindschleiche ist eidechsenähnlich |
Die Blindschleiche
ist eine glattschuppige, schlangenförmige Schleiche ohne Gliedmaßen,
mit etwas mehr als körperlangem, stumpf endendem Schwanz, der schnell
abbricht (fragil) kaum regeneriert und daher meist kürzer als der
Rumpf ist. Der Kopf ist eidechsenähnlich, stumpf schnäuzig, wenig vom
Körper abgesetzt und mit, gegenüber Schlangen, beweglichen
Augenlidern. Langsame, steif wirkende Bewegungsweise. Die Oberseite
der Blindschleiche ist hell- bis dunkelbraun, kupferfarben, rötlich
oder grau, an den Flanken ist die Blindschleiche meist etwas heller.
Ausgewachsene Weibchen kommen oft mit dunklen Rückenstreifen und
braunen, in schmalen Längsreihen angeordneten Punkten oder Strichen.
Männchen dagegen mit zum Teil hellblauen Rückenflecken, die zur
Fortpflanzungszeit intensiv leuchten. Die Unterseite ist schwarz bis
bläulich grau, beim Männchen auch gelblich. Die Jungtiere sind
auffallend gold- bis silberfarben glänzend, mit schwarzem
Rückenmittelstreifen, dunklen Flanken und dunklem Bauch.
Die Haut der Blindschleiche ist
keineswegs schleimig. Die Schuppen sind vielmehr trocken und
glatt wie poliertes Metall. |
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Bild: Thomas Langhirt |
Blindschleichen lieben im Frühjahr wärmende Sonnenbäder |
Wie alle einheimischen Amphibien und Reptilien ist die
Blindschleiche (Anguis fragilis) "besonders geschützt" und durch
fortschreitenden Siedlungs- und Straßenbau vom Verlust ihres
Lebensraums bedroht. Obwohl sie noch zu den häufigsten Kriechtieren
Mitteleuropas zählt und vermutlich die Lebensräume unserer
Kulturlandschaft in relativ gesunden Beständen besiedelt, ist die Art
von allen einheimischen Reptilien am wenigsten erforscht. "Kenntnisse
über die Populationsgrößen und natürliche Bestandsentwicklung, die für
einen langfristigen Schutz nötig sind, liegen für die Blindschleiche
im Gegensatz zu anderen Reptilien kaum vor", so Dr. Axel Kwet,
Präsidiumsmitglied der DGHT.
Merkmale der Blindschleiche
Länge: 28 - 30 cm bei
Erreichen der Geschlechtsreife, kann aber bis zu 50 cm lang
werden; Geschlechtsreife: Männchen mit 3 Jahren, Weibchen
mit 4 - 5 Jahren; Paarungszeit: Frühjahr (in Mitteleuropa
meistens Mai); Tragzeit: temperaturabhängig, zwischen 4
Monaten und nahezu einem halben Jahr; Anzahl der Jungen: 8
- 20 etwa 8 cm lange Jungtiere.
Verhalten:
einzelgängerisch; Nahrung: vorwiegend Nackt- und andere
Schnecken, Regenwürmer, Insekten und Spinnen;
Lebenserwartung: 30 Jahre und mehr. |
Blindschleichen besiedeln ein breites Spektrum an
unterschiedlichsten Lebensräumen. Sie bevorzugen lichte Wälder, vor
allem Waldränder mit erhöhter Bodenfeuchtigkeit und einem
vielfältigen, strukturreichen Mosaik an Sonnen- und Versteckplätzen.
Aber auch offene Heide- und Moorlandschaften, Brachflächen,
Trockenrasen, Streuobstwiesen, Gärten, Parks, Straßenböschungen,
Steinbrüche und Abgrabungsstätten werden bewohnt. Häufig unter Totholz
oder Steinen.
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Die Blindschleiche kommt in fast ganz Europa, außer dem
hohen Norden und dem Süden der Iberischen Halbinsel, vor.
Vom Flachland bis in Höhen von 2400 m. |
Das Verbreitungsgebiet der
Blindschleiche |
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Oft zeugen nur die auf Straßen überfahrenen Blindschleichen
von den versteckt am Boden lebenden Reptilien, die in Siedlungsnähe
auch regelmäßig Opfer von Mäharbeiten oder streunenden Hauskatzen
werden. Dabei sind Blindschleichen nützliche Gartenhelfer, die neben
Regenwürmern, Insekten, Asseln und Spinnen besonders gerne
Nacktschnecken fressen. Stellvertretend für viele andere Arten werben
Blindschleichen somit für naturnahe Gärten mit wilden Ecken, in denen
keine Tier- und Pflanzengifte eingesetzt werden.
Blindschleichen lieben im Frühjahr
wäremende Sonnenbäder, meiden aber in den wärmeren Monaten des
Jahres die direkte Sonne. |
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Bild: DGHT / Kwet |
Die Blindschleiche ist wohl eines der angepasstesten
Reptilien Europas |
Wissenswertes & Interessantes
Eine Blindschleiche
im Kopenhagen-Museum wurde angeblich 54 Jahre alt.
Ältere
Männchen sind manchmal blaugefleckt und zwar gelegentlich so
kräftig, dass das ganze Reptil blau aussieht. In die Haut
von Blindschleichen sind kleine Knochenplatten eingelagert.
Sie bilden eine Art äußeres "Skelett", das das eigentliche
Knochengerüst ergänzt und zur Stabilität beiträgt.
Nach der
in Mitteleuropa von Oktober bis April dauernden Winterruhe
(oft überwintern dabei viele Exemplare gemeinsam in tiefen
Erdlöchern) erfolgt die Paarung. |
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Nach drei bis viermonatiger Tragzeit setzt das Weibchen im
Sommer 8 - 20 etwa 8 cm lange Jungtiere ab, die sich während
der Geburt aus ihren häutigen, durchsichtigen Eihüllen
befreien. |
Weibchen mit frisch abgesetzten
Jungen |
Bild: DGHT / Kwet |
Der beinlose "Hartwurm", wie das Reptil des Jahres 2017 früher auch
genannt wurde, besitzt unter dem Schuppenkleid seines Körpers kleine,
starre Knochenplättchen, wodurch sich Blindschleichen viel steifer
fortbewegen als beispielsweise Schlangen - mit denen sie trotz ihres
Aussehens und lateinischen Gattungsnamens (Anguis = Schlange) auch
nicht verwandt sind.
Blindschleichen haben neben der
"Fluchtstrategie" noch eine zweite Verteidigungstaktik
entwickelt: Sie "teilt sich in zwei Teile". Die am nächsten
zum Rumpf liegenden Schwanzknochen haben Sollbruchstellen und
können leicht und glatt brechen. Der Schwanz windet sich noch
einige Minuten heftig, so dass der Angreifer abgelenkt wird. |
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Bild: Thomas Langhirt |
Blindschleiche mit abgeworfenem Schwanz |
Ähnlich wie Eidechsen können die meist 15 - 25 cm, selten auch
über 40 cm langen Reptilien ihren Schwanz abwerfen. Er wächst
allerdings nur als kleiner Stumpf nach, worauf die wissenschaftliche
Artbezeichnung "fragilis" (=zerbrechlich) hinweist.
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Frösche und Kröten machen Jagd auf junge Blindschleichen,
während erwachsene Blindschleichen Opfer von Schlangen, Igeln,
Füchsen und Greifvögeln werden können.
Und der Mensch
...? |
Blindschleichen halten sich auch
gerne in Komposthaufen auf |
Bild: DGHT / Kwet |
Blindschleichen sind lebendgebärend. Nach einer mehrmonatigen
Winterruhe in Löchern im Erdboden und der Paarung im Mai gebären die
Weibchen im Sommer etwa 10 vollständig entwickelte Jungtiere. Zu den
natürlichen Feinden der Blindschleiche zählen neben dem Menschen vor
allem räuberische Säugetiere wie Fuchs, Steinmarder, Iltis, Dachs und
Wildschwein oder Greifvögel wie Mäusebussard und Turmfalke.
Vielen Dank an Herrn Dr. Axel Kwet, Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e.V. (DGHT) für den Pressetext,
und die Möglichkeit die Bilder, seine eigenen Bilder, sowie von H. Trapp zeigen zu
können. Vielen Dank auch an Herrn Thomas Langhirt der zwei seiner Bilder
zur Verfügung stellte.
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