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Grazile Weltenbummler
Schutzprojekt Wiesenweihe
In Franken waren sie schon fast verschwunden.
Doch mittlerweile vermehren sich die seltenen Greifvögel wieder.
Wenn sie nicht der Fuchs holt.
Ist man mit Claudia Pürckhauer unterwegs, erfasst es
einen unweigerlich: Das Wiesenweihenfieber. "Da sehen Sie, da fliegt
ein Altvogel aufgeregt über sein Nest", sagt sie und beobachtet ihn
durch das Fernglas. Zwischen Seligenstadt und Euerfeld hat sie die
späten Brüter entdeckt, die ihre Jungen jetzt im August noch
versorgen und verteidigen müssen - während andere Artgenossen sich
schon auf den Weg nach Afrika machen.
Der Altvogel ist ein Männchen und gerade mit dem Futter unterwegs,
das er in der Luft an das Weibchen übergibt. Ein spektakuläres
Manöver, an dem auch ein Turmfalke beteiligt ist. Der kleine Falke
hat sich dazugesellt und versucht, die Beute abzujagen. Doch er geht
leer aus.
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Bevor das Korn gedroschen wird, ist es wichtig die
Bodennester zu finden |
Junge Wiesenweihe: Einheitlich rostrot
sind Brust und Bauch der Vögel gefärbt.
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Bild: © Main-Post |
Echte Arbeitsteilung herrscht bei den Bodenbrütern.
Den Hauptteil der Beute erjagt das Männchen, er ist der Versorger,
weiß die Diplombiologin vom Landesbund für Vogelschutz (LBV). Schon
im April nach der Verpaarung hört das Weibchen auf zu jagen und
lässt sich von ihm verwöhnen, um sich ganz auf den Nachwuchs zu
konzentrieren.
Zu den Lieblingsspeisen des Greifvogels zählt die Feldmaus, die es
in diesem Jahr wieder zahlreich gibt. Sind genug Mäuse da, haben
auch die natürlichen Feinde wie Fuchs, Marder und Mauswiesel genug
zu fressen und müssen sich nicht an den Eiern oder Jungen der
Wiesenweihe vergreifen. Deshalb haben die Wiesenweihenschützer
eigentlich ein gutes Brutjahr erwartet.
Die Eifärbung ist bläulich weiß,
mit einzelnen kleinen rotbraunen Abzeichen; glatt, glanzlos.
Eimaße (mm) kurz-elliptisch bis kurz
spindelförmig - 41,3 x 33,3
Die Eifärbung und Eimaß
sind optimal an die Umgebung angepasst.
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Bild: © Main-Post |
Klein ist das Ei der Wiesenweihe
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Doch die Erwartungen wurden nicht ganz erfüllt. 2010
war nicht gut für die Vogelkinder: Es wurden zwar nur wenige Gelege
gefressen, jedoch gingen bei 19 Prozent der Bruten alle Jungvögel
verloren. Normal sind zwölf Prozent Verlust. Die Ursachen sind meist
nicht eindeutig. Oft haben die ehrenamtlichen Mitarbeiter
abgebissene Federkiele gefunden. Deshalb war wohl häufig der Fuchs
der Täter, vermutet Pürckhauer.
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Die Wiesenweihe hat natürlich auch Fressfeinde |
Registriert: Claudia Pürckhauer mit
einer jungen Wiesenweihe
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Bild: © Main-Post |
Seit 2003 koordiniert die Diplombiologin das
Artenhilfsprogramm Wiesenweihe in der Region Würzburg. Gemeinsam mit
sieben ehrenamtlichen Helfern vom LBV, allen voran Edgar Hoh, Ralf
Krüger und Otmar Leuchs, ist sie von April bis Juli täglich draußen.
Die Lage der Nester wird aufgenommen, die Vögel beringt und mit
Flügelmarkierungen versehen.
Anhand dieser Markierungen kann der Zug der seltenen Vögel
festgestellt werden und ob sie im nächsten Frühling wieder in die
Region zum Brüten kommen. Dabei haben die Artenschützer
Erstaunliches entdeckt. "Männchen sind viel ortstreuer als
Weibchen", erklärt Pürckhauer. Die Marken zeigen aber auch, dass die
Wiesenweihen nicht auf direktem Weg ins Winterquartier nach Afrika
fliegen, sondern erst einmal ein paar Wochen durch Deutschland
streifen. Vielleicht um sich schon das nächste geeignete Quartier zu
suchen.
Zuerst werden wohl
die Felder mit der Wintergerste abgesucht, da die grazilen
Greifvögel bevorzugt in diesen brüten |
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Bild: © Main-Post |
Auch für Politiker interessant: Landrat
Nuß mit Vogelschützer Edgar Hoh.
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Bei dieser Suche spielen Hochspannungsleitungen eine
wichtige Rolle. Offensichtlich dienen sie den Tieren als
Orientierungshilfe in den weiten, offenen Feldern. "Das ist kein
Zufall, die Wiesenweihen suchen sich die Leitungen gezielt aus und
bauen in der Nähe ihre Horste", weiß die Biologin.
109 Paare haben diesen Sommer zwischen Steigerwald, Rhön-Grabfeld
und dem Ochsenfurter Gau gebrütet. Damit hat der Bestand gegenüber
dem Vorjahr nochmals zugenommen. Eine erstaunliche Entwicklung, denn
in Bayern stand die Wiesenweihe in den 80er Jahren kurz vor dem
Aussterben, sagt die Vogelbeobachterin. 1997 gab es gerade mal zwei
Brutpaare in der Region.
Ohne die Unterstützung der Landwirte wären solche Erfolge allerdings
nicht möglich, weiß Pürckhauer. Landwirt Eduard Mack aus Euerfeld
hat jedes Jahr ein Wiesenweihenpaar auf einem Feld. Denn die
Wintergerste, die er für seine Schweine als Futter braucht, gefällt
auch den seltenen Greifvögeln, weil sie im Frühjahr schon hoch
aufgewachsen ist und so guten Schutz für den Nestbau bietet.
In Mainfranken brüten die grazilen Vögel bevorzugt in Wintergerste,
aber auch mal in Winterweizen, Roggen oder neuerdings in
Agrarökoflächen. Sobald im Frühjahr die Nester gesichtet sind,
werden die Landwirte verständigt. Sollten die Jungvögel bis zur
Ernte noch nicht flügge sein, wird eine Restfläche von 50 mal 50
Metern um den Horst markiert. Diese Fläche lässt der Landwirt stehen
und bekommt den Ausfall und den Mehraufwand erstattet.
Die rasante, positive Entwicklung der Wiesenweihenbestände ist
dennoch verblüffend. In nur 14 Jahren wuchs die Anzahl von zwei auf
109 Paare. Kenner sprechen inzwischen vom "Wunder von Mainfranken".
Selbst in Frankreich blieben diese Erfolge nicht ungehört. Dort
gingen die Bestände dramatisch zurück. Deshalb waren auch jüngst
französische Wiesenweihenschützer bei den Mainfranken zu Gast, um
von ihnen zu lernen.
Über einem anderen Nest sind derweil zwei Vögel aufgestiegen: Mutter
und Kind, erkennt die Biologin. Es ist Unterrichtszeit, der
Jungvogel soll das Jagen lernen. Sobald er flügge ist, geht er
seinen eigenen Weg. Auch nach Afrika. "Wiesenweihen sind
Weltenbummler", meint sie und erzählt von ihrer Reise in den
Senegal, wo fränkische Vögel entdeckt wurden. Rund einen Monat sind
sie dorthin unterwegs. Und wie gehen sie mit der großen Hitze um?
"Die machen mittags eine lange Siesta".
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